ASB Ortsverband Chemnitz und Umgebung e.V.

Ein Mann geht seinen Weg in der Pflege - (Fast) allein unter Frauen

Vom Koch zum Wohnbereichsleiter. Martin Schubert hat etwas geschafft, das er selbst nicht erwartet hätte. Frisch von der Schule, konnte er sich so gar nicht vorstellen, in einem sozialen Beruf zu arbeiten. Erst der Zivildienst hat ihm diesen Weg geebnet. Jetzt wuppt er im Altenheim „Am Goetheplatz“ in Chemnitz, als einer von wenigen Männern, ein Team von 12 Mitarbeiterinnen und zwei Azubis. Mit Charme und Feingefühl hat er sich die Herzen der Bewohner erobert... und auch die seiner Kollegen.

Martin Schubert und seine Kolleginnen im Speiseraum des Altenpflegeheims "Am Goetheplatz": (v.l.n.r.) Pflegefachkraft Silke Balk, Pflegedienstleitung Kerstin Münzner, Wohnbereichsleiter Martin Schubert und Pflegefachkraft Evelin Kummer.

Foto: ravir film GbR

„Eigentlich wäre ich fast in Heidelberg gelandet“, lacht Martin Schubert im Garten seines Arbeitsplatzes an der Herderstraße in Chemnitz. Nach der 10. Klasse hat der begeisterte Fußballfan eine Lehre als Koch begonnen und musste schon bald in der Küche 10-13 Stunden Schichten schieben. Es war für ihn eine Möglichkeit schnell ein paar Euro zu verdienen und selbst Jürgen Drews hat von seinen Tellern probieren dürfen. Aber: „Das ging mit den
Arbeitszeiten nicht lange gut“, erzählt Martin. Kurz bevor er an den Neckar wechseln wollte, kam der Einberufungsbescheid zur Bundeswehr. Der Liebe wegen entschied er sich, in Chemnitz zu bleiben und Zivildienst zu leisten. Martin: „Meine Mutter arbeitete in einer Seniorenresidenz
und die hatten eine Zivi-Stelle für mich.“

Die parkähnliche Grünanlage im Innenhof des Altenpflegeheims "Am Goetheplatz" lädt zum Entspannen ein. Wer gern spaziert und noch mehr Natur möchte, der kommt im nicht weit entfernten Stadtpark auf seine Kosten.

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EMPATHISCH - ZIELSTREBIG - KOMPETENT


Schonzeit gab es nicht, gleich am ersten Tag musste er mit ran: Grundpflege und Betreuung der Senioren. „Die Leute bedankten sich, waren glücklich darüber“, stellte er überrascht fest und fand Gefallen an seinem neuen Arbeitsalltag, den er sich zuvor so gar nicht vorstellen konnte. „Du bist im Pflegeheim der Held“, resümiert Martin Schubert, als er durch den Flur seines heutigen Wohnbereichs läuft. Er hat heute Frühschicht im Pflegeheim.

Wohnbereichsleiter Martin Schubert im Frühdienst. Er bereitet sich auf seinen Dienst vor, holt medizinische Versorgungsmittel und macht sich auf den Weg zu seinem ersten Bewohner.

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In einer Zimmertür steht, schon bestens aufgelegt, Bewohner Edgar Krause (86). Was die beiden verbindet? Auch Herr Krause wohnt der Liebe wegen in Chemnitz. Meist gut gelaunt, hat er immer etwas zu erzählen. „Der Martin hilft mir beim Anziehen und Waschen.“ Probleme mit der Hüfte machen ihm zu schaffen und so ist er auf Hilfe angewiesen. „Martin setzt sich für uns ein“, betont Edgar Krause, „einen Besseren könnte es nicht geben.“

Viele ältere und pflegebedürftigen Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Im Altenpflegeheim "Am Goetheplatz" kennt man keine falsche Scham, Martin Schubert und seine Kollegen packen gern mit an.

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Und auch die Kolleginnen freuen sich über den Mann im Team. „Einen Pluspunkt bekommt er, wenn er uns Patienten-Transfers abnimmt“, wirft seine Kollegin Evelin Kümmer im Scherz ein. Als großer, kräftiger Mann fällt es ihm leicht Sympathiepunkte bei den Kollegen zu sammeln, indem er hilft, die Patienten zum Beispiel in oder aus dem Bett oder Rollstuhl zu heben. So wie eben bei Herrn Krause. „Martin hat eine gute Energie“, sagt Frau Kümmer und beobachtet noch einen weiteren Aspekt: „Junge Männer bringen was mit, was die alten Patienten lieben.“ Nach 20 Jahren im Job macht ihr da keiner was vor.

Der Wohnbereichsleiter und sein Team bei der Tagesplanung im Büro. Die Arbeitsabläufe sind klar, man ist schon eingespielt. (v.l.n.r.) Martin Schubert, die Pflegekräfte Silke Balk und Evelin Kümmer und ihr Auszubildender Mai Thanh Hai.

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Martin mag die Wertschätzung. Im Pflegeheim mit sieben Wohnbereichen ist er der einzige männliche Leiter. „Zum Glück“ ist er nicht immer der einzige Mann im Haus. Oft gibt es auch Praktikanten und Auszubildende, wohlgemerkt Männer, im Wohnbereich. „Die freuen sich, glaub ich, auch darüber, dass ich da bin“, fügt Martin Schubert mit einem Lächeln im Gesicht an.


Die Sympathien, welche Martin Schubert heute als junger Wohnbereichsleiter erhält, musste er sich erarbeiten. Schritt für Schritt. Denn nach dem Zivildienst, bei einer privaten Einrichtung, hing er erst einmal in der Luft. „Ich konnte nicht gleich weitermachen und musste mir etwas Anderes suchen.“ Ein halbes Jahr fuhr er in Chemnitz Essen auf Rädern aus und bewarb sich als ungelernte Hilfskraft beim ASB, in seinem heutigen Pflegeheim „Am Goetheplatz“. Und er wurde genommen. Befristet auf zwei Jahre. In seinen vorherigen Beruf als Koch wollte er nicht zurück.

Kollegin Silke Balk benötigt Materialien aus dem Lager. Der Wohnbereichsleiter packt gleich selbst mit an.

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Stattdessen entwickelte Martin Schubert nach zwei weiteren Jahren als Hilfskraft beim ASB einen Plan. Nach einer kurzen Unterbrechung im Job, stand seine Entscheidung fest. Martin Schubert: „Nochmal eine Ausbildung machen“, als Pflegefachkraft und berufsbegleitend. Erst war der Ansporn ein besseres Gehalt – doch dann packte ihn der Ehrgeiz. „Ich wollte die Sache gut machen.“ Der ASB stand hinter ihm und unterstützte das Vorhaben.
In der Praxis hieß das für den Arbeitgeber: Kostenübernahme. Für Martin Schubert: 30 Stunden die Woche arbeiten und zwei Tage die Woche Schule. „Ich habe mich da super reingefunden.“

Blutdruck und -zucker müssen bei vielen Bewohnern täglich kontrolliert werden. Für Martin Schubert ist das inzwischen eine liebgewonnene Routine.

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Heute profitiert er von dem entwickelten Ehrgeiz, denn damit sollte es noch nicht getan sein. Auf dem Flur des Wohnbereichs trifft er auf Herrn Scheffler (85), der sich schick zurechtgemacht hat. Herr Scheffler nimmt Martin's Arm, auch wenn er selbst noch ganz rüstig ist. Gemeinsam gehen sie zum frühen Mittagessen. „Ich habe 68 Arbeitsjahre auf dem Buckel“, erzählt der Friseurmeister stolz, der gemeinsam mit seiner Frau hier „Am Goetheplatz“ wohnt. „Und die Tochter macht das Geschäft weiter“, gerät Herr Scheffler beim Gang durch den Flur in Erzähllaune. Am Essenstisch sitzt schon Frau Scheffler. Liebevoll streicht er ihr über den Kopf. Martin lächelt zufrieden, während seine Kolleginnen beginnen, das Essen auszuteilen.

Der Bewohner Herr Scheffler und der Wohnbereichsleiter haben sich immer viel zu erzählen. Martin Schubert hört gern zu, denn aus den Geschichten der Bewohner, hat er schon die ein oder andere Lehre fürs eigene Leben ziehen können.

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„Ich habe viele glückliche Entscheidungen getroffen“, so Martin Schubert. Nach der berufsbegleitenden Ausbildung entschied er sich, noch einmal zu wechseln. Nicht den Arbeitsgeber und auch nicht die Einrichtung, aber noch einmal den Wohnbereich. Denn schon aus seiner beruflichen Vorerfahrung wusste er für sich: „Bleibe nie da, wo du gelernt hast.“ Am neuen Arbeitsplatz wurde er schnell zum stellvertretenden Wohnbereichsleiter und somit auch mit administrativen Aufgaben betraut. „Und auch die Bezahlung hat sich positiv entwickelt“, stellt Martin
Schubert fest und dabei ist ihm wichtig zu erwähnen, dass er damit ganz allgemein den Pflegebereich meint und nicht nur die eigene positive Entwicklung. Und diese machte keine Pause.

High-Tech im Altenpflegeheim "Am Goetheplatz". Ein handliches Finger-Pulsoximeter zur Messung der partiellen Sauerstoffsättigung und Pulsintensität.

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Um selbst einen Wohnbereich zu leiten, bedarf es einer zusätzlichen Weiterbildung zum Pflegedienstleiter (PDL). So hieß es erneut Schulbank drücken, Module ablegen und eine Facharbeit schreiben. Er ist froh, die Doppelbelastung absolviert zu haben und über die Unterstützung seines Arbeitgebers. Der hatte auch diese Weiterbildung bezahlt. Ebenso wie Kurse zum Medizinprodukte- und Sicherheitsbeauftragten für seinen Wohnbereich. Zu seinen Aufgaben zählen nun auch die Sani-Kästen, den Medizinschrank oder medizinische Verbrauchsprodukte zu kontrollieren.

Zu den Aufgaben eines Wohnbereichsleiters gehört unter anderem die Kontrolle der Sanitätskästen in der Einrichtung. Die Materialien dürfen weder beschädigt noch abgelaufen sein.

Foto: ravir film GbR

Heute leitet Martin Schubert den Wohnbereich, in dem Herr Krause und das Ehepaar Scheffler leben. Er hat Führungsverantwortung und auch einen kleinen Vorteil: die Freiheit, sich seinen Arbeitsalltag etwas anzupassen. Am Liebsten übernimmt er den Frühdienst, nicht nur um die Fußballspiele seiner favorisierten Mannschaften am Abend verfolgen zu können, auch aus ganz praktischen Gründen: „Ich bin Ansprechpartner für alle. Ob Lieferanten, Angehörige oder Ärzte, da gibt es Einiges zu regeln.“ Administrative Aufgaben, Dienstplanung, Bestellungen oder Routinechecks gehören dazu. Doch am wichtigsten ist ihm bei der Arbeit, dass es seinen Patienten gut geht: „Ich kann einen Teil dazu beitragen,
dass das Ende des Lebens würdevoll stattfindet.“

Martin Schubert hat es geschafft. Obwohl sein Lebensweg ihn zuerst in eine gänzlich andere Richtung wies, hat er nun in der Arbeit als Wohnbereichsleiter seine Berufung gefunden.

Foto: ravir film GbR